Genau heute vor 20 Jahren, in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 2000, habe ich meinen Mitgliedsantrag für die FDP ausgefüllt. Online. Was damals, im Jahr 2000, wirklich noch etwas Besonderes war.
Ich war 19 Jahre alt und den Abend ziemlich betrunken. Drüben im Clubheim war Weinfest und Wein vertrug ich schon damals ähnlich schlecht wie heute, ich bin nunmal mehr der Typ für Bier.
Aber der Entschluss, Mitglied zu werden, war zu diesem Zeitpunkt 1-2 Jahre gereift und ihm voraus ging eine relativ umfangreiche Recherche und Beschäftigung mit der deutschen Parteienlandschaft und ihren diversen Grundsatzprogrammen. Es war also keine spontane Geschichte. Bis auf, dass es genau diesen Abend relativ spontan geschah aber irgendwann muss man ja dann mal loslegen.
Es folgten in jeglicher Hinsicht interessante Jahre. Das „Projekt 18“ mit dem ganzen anderen Schwachsinn rund um Guidomobil und Spaßpartei machte mich mehr oder weniger zur Witzfigur gegenüber allen Freunden und Bekannten, danke dafür. Und erst im Jahr 2009 konnte man sich als Mitglied in diesem Laden erstmals so richtig gut fühlen. Leider nur kurz.
Heute wird die FDP wieder gerne wegen allem Möglichen und vielem Unmöglichen kritisiert. Teils zurecht aber meistens mindestens insofern zu Unrecht, dass man andere Parteien für Ähnliches niemals kritisieren würde.
Das Schöne an einer so langen Mitgliedschaft in der wohl unbeliebtesten Partei des Landes: Man stumpft wirklich komplett ab. Mir ist schon lange wirklich restlos egal, was irgendwer von der FDP hält. Ich habe ja selbst ein oft genug sehr gespaltenes Verhältnis zu ihren Inhalten und ihrem Personal. Bullshit verteidige mindestens die letzten 10 Jahre nicht mehr.
Was mich allerdings trotzdem immer mehr beschäftigt, ist, wie die Gesellschaft die viel zu wenigen für unsere Demokratie engagierten Menschen behandelt. Es macht mir persönlich wirklich nichts aus, am Infostand blöde vollgesabbelt und beschimpft zu werden. Das Problem ist nur, dass diese Art des Umgangs mit ehrenamtlich Engagierten auch nicht besonders hilfreich ist, wenn man weitere Mitstreiter finden möchte.
Was mich in diesem Zusammenhang aber besonders freut ist, dass wir hier vor Ort heute aktuell lebendiger denn je sind. Vor fünf Jahren waren wir im Wesentlichen zu zweit, als wir das Kommunalwahlprogramm auf den neuesten Stand brachten und die Wahl vorbereiteten. Und das war auch nicht nur ein kurzer Moment, in dem es etwas weniger lief, sondern lange Zeit der Normalfall.
Damals war ich Vorsitzender, Schatzmeister, Programmkommission, Pressesprecher und wichtigstes Basismitglied in einem. Keine sehr zufriedenstellende Konstellation und eigentlich ein Zustand, der einen hinsichtlich der Zukunft unserer Demokratie äußerst hätte besorgen können.
Natürlich war ich viel zu cool dazu, das als ernsthaftes Problem zu betrachten. Aber ohnehin entwickelte sich so ab 2016 erst langsam aber immer und bis stetig jener lebendige Ortsverband, wie er heute dasteht und in dem wir inzwischen alle paar Wochen mal neue Mitglieder willkommen heißen können. Und siehe da: So macht es dann doch deutlich mehr Spaß.
20 Jahre. Die damit begannen, dass ich erlebte, wie in meinem Heimatdorf die FDP auf einmal von praktisch null auf an die 30 Prozent der Kommunalwahlstimmen schoss, bevor die FDP im Bund einen auf Spaßpartei machte und uns damit bis heute einen Teil dieser anfänglichen Erfolge wieder kaputtgemacht hat. Wo wir lange von einer erfolgreichen FDP-Landesregierung auch hier vor Ort profitieren konnten. Bevor die Westerwelle-FDP im Bund auch diesen guten Eindruck wieder kaputtmachte mit ihrer Regierungszeit in Berlin.
Die wiederum für mich interessante und sehr exklusive Einblicke in den Berliner Demokratiealltag brachten, weil ich während der Eurokrise bestens mit den „Eurorebellen“ um Frank Schäffler vernetzt war und in dem Zusammenhang die eine oder andere wenig rühmliche Anekdote vom Umgang einer Regierung mit ihren eigenen Abgeordneten mitbekam. Gefolgt von den hier noch relativ harmlosen Anfängen der heutigen AFD, die wir damals noch hätten verhindern können, hätte man wenigstens ansatzweise auf uns gehört oder zumindest so getan als ob.
Ich erlebte mit, wie die FDP in ihrer Regierungszeit sich inhaltlich komplett aufgab und von Eurorettung über Atomausstieg bis hin zu Mindestlöhnen ein Klon der CDU wurde. Ihre eigenen Wahlziele, vor allem das einer Steuerreform, hatte sie mehr oder weniger am Tag nach der Wahl schon einkassiert.
Daraufhin mit Fug und Recht und einer gewissen Befriedigung meinerseits, die katastrophale Situation der FDP schon Jahre vorher offensichtlich richtig eingeschätzt zu haben aus dem Bundestag geflogen, erlebte ich die Zeit in der APO, inklusive einem dann doch unter dem Strich gelungenem und vor allem optisch interessantem Neuanfang – inklusive dem Wiedereinzug in den Bundestag 2017.
Nicht zu vergessen auch die parallel zu alldem stattfindende Zeit bei den Jungen Liberalen. Da bin ich jetzt zwar eine ganze Weile raus aber auch dort erlebte ich eine Million interessanter Momente und Geschichten.
Angefangen damit, dass ich bei der Gründung des hiesigen Kreisverbandes mitwirken konnte, bevor ich so um 2007 rum auf einmal das einzige verbliebene Mitglied war, was ich dazu nutzte, so zu tun, als seien wir ein riesiger Verband und vor allem pressewirksam ein wenig auf die Kacke haute, weil die gesamte Kommunalpolitik in Gemeinde und Landkreis, inklusive der FDP, so tat als sei Paintball menschenverachtend und gegen das Grundgesetz. Die Gemeinde verlor glaube ich zwei Mal vor Gericht mit dieser schrägen Argumentation und kreisweit gab es mit den Jungen Liberalen, die damals praktisch nur aus mir bestanden, genau einen einzigen politischen Akteur quer durch alle Parteien, der hier auf der richtigen Seite stand.
Wenig später landete ich dann noch versehentlich im Landesvorstand der Jugendorganisation und wirkte da ein paar Jahre daran mit, den Verband in Sachen Online ins aktuelle Jahrhundert zu hieven. Zitat des damals gerade erst abgelösten Landesvorsitzenden, der es nun in den Landtag geschafft hatte:
„Wenn ich Twitter hätte, würde ich zum Arzt gehen.“
Zitat eines heutigen Mandatsträgers der Digitalpartei FDP.
Neben einigen Freundschaften, die bis heute anhalten und nicht zu vergessen der Bekanntschaft mit meiner heutigen Partnerin, hat mich die Zeit bei den Jungen Liberalen auch den Karrierestart verschiedener heutiger FDP-Spitzenleute miterleben lassen, was für jemanden mit politischem Interesse natürlich eine spannende Erfahrung ist.
Ich bin fast 40 Jahre alt. Ziemlich genau mein halbes Leben lang habe ich mich jetzt in unterschiedlichsten Positionen und Funktionen und auch mit wechselndem aber nie ganz versiegten Elan für den Liberalismus engagiert.
Gekostet hat mich mein politisches Engagement tausende Euro an Mitgliedsbeiträgen und sicherlich zehntausende Stunden an Lebenszeit. Schwer zu sagen, ob sich da Kosten und persönlicher Nutzen wirklich die Waage halten.
Aber – und das kann man gar nicht oft genug betonen – man macht das nunmal nicht für sich selbst, sondern es handelt sich bei derartigem Engagement bei allem Spaß, bei allem persönlichen Erkenntnisgewinn, all den denkwürdigen Momenten letztendlich vor allem um einen Dienst an der Allgemeinheit.
Und dann stimmt die Rechnung für mich wieder.